Marcus Stegmaier, M.A.

Veröffentlicht auf www.nevernothere.com

USA

06.05.2010

 

 

Die Illusion der Kultivierung von Einheit

 

Der Mensch sehnt sich nach Frieden. Dies ist sein Dilemma. Und er hat so einiges bereits versucht, um ihn zu bekommen. Daher ist er der Meinung, denken zu können. Er hält seinen Verstand für ein Instrument, um das Leben formen, verändern und kontrollieren zu können. Doch der Verstand ist lediglich ein Spiegel, um eine Welt aus Gedanken zu reflektieren, in der Handlungen, Individuen und Zeit real erscheinen, solange ihre illusionäre Natur nicht mit Klarheit verstanden wurde.

 

Die Bemühungen des Menschen, die äußere Welt in einen friedlichen Ort zu verwandeln, sind gescheitert und der Mensch ist frustriert, was verständlich ist. Doch der Mensch hat bisher weder untersucht noch verstanden, dass die von ihm als außerhalb betrachtete Welt in Wirklichkeit sein eigener Verstand ist.

 

Das Leben, welches reines Licht ist, das sich selbst als eine Illusion aus reflektiertem Licht reflektiert, erscheint auch als Ton: grobstofflicher Ton in Form von Worten und feinstofflicher Ton in Form von Gedanken. Der Gedanke, dass es da jemanden gäbe, der die Gedanken, Worte und Handlungen unter Kontrolle habe, ist auch nur ein Gedanke: der „Ich“-Gedanke. Er ist die Wurzel der Illusion, dass der Mensch der Handelnde, Sprechende und Denkende sei.

 

Das Leben ist jedoch zeitlos und gedankenfrei, weil das Leben weder etwas erschafft noch zerstört, sondern einfach nur reflektiert, das bedeutet: Die Welt unserer Wahrnehmung existiert nicht auf die Art und Weise, wie der Verstand glaubt, dass sie existiert; sie ist nicht an und für sich wirklich. Die Welt existiert nur in Form von Gedanken; was in Wirklichkeit existiert, ist eine Reflexion von Licht, nichts weiter als Energie. Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erscheinen als Töne im zeitlosen „Jetzt“, sie sind alle Eins, dies ist die Bedeutung von Einheit. So verkünden es die Weisen.

 

Eine Reflexion kann nicht vom Verstand kontrolliert werden, weil der Verstand selbst eine Reflexion ist. Und die Welt, die sich der Mensch in Gedanken vorstellt, ist von vornherein gar nicht existent. Wenn man sich beispielsweise vorstellt, dass einem aufgrund einer Wunde der Arm schmerzt, und man den Schmerz für real hält, dann sollte man ein wenig darüber nachdenken: Beobachte, was geschieht, wenn jemand dich anspricht. Bevor der andere zu sprechen begann, dachte dein Verstand den Schmerz im Arm, aber während der andere spricht, denkt der Verstand die gesprochenen Worte und hat den Schmerz im Arm für eine Weile vergessen. Wenn der Schmerz real wäre, sollte er immer da sein, doch das ist nicht der Fall.

 

Auf dieselbe Weise existieren Handlungen von vornherein erst gar nicht. Energie transformiert sich selbst spontan und unkontrollierbar und reflektiert Gedanken von Handlungen im menschlichen Verstand, die auch Energie sind. Wenn zwei Personen dieselbe „Situation“ beobachten, werden beide verschiedene Handlungen denken: Dies ist der Grund, warum jeder Verstand in seiner eigenen Gedankenwelt lebt. Daher kann der Verstand nichts kontrollieren, weil schon gar nichts als etwas Tatsächliches existiert, sodass es kontrolliert werden könnte.

 

Die Welt existiert im Verstand wie ein Film auf der Kinoleinwand: Wenn die Figur A scheinbar auf die Handlung von Figur B reagiert, ist der Grund für beide das Licht, das vom Projektor projiziert wird. A und B stehen nicht wirklich in einer Beziehung von Ursache und Wirkung zu einander.

 

Selbst wenn die Welt real wäre und von einem „Denker“ geformt werden könnte, müsste der Denker zuerst einmal vom Universum erschaffen worden sein, sodass für alles, was er erschüfe, das Universum verantwortlich wäre.

 

Doch wie könnte der „erleuchtete Denker“ das Universum gestalten? Welche Kriterien sollte er berücksichtigen, was richtig und was falsch ist? Dualität ist im Verstand, sie ist nichts Tatsächliches im Leben. Was für den einen Verstand richtig ist, ist für den anderen falsch. Werte sind notwendigerweise relativ. Wenn sie real wären, wäre es niemals möglich, sie wahrzunehmen, weil ein Kontrast benötigt wird, um sie zu manifestieren. Die Gegenteile gut und böse geben sich selbst wechselseitig ihre Bedeutung, sie existieren nicht für sich allein. Daher sind sie illusionär.

 

Das Ego glaubt an die Realität von gut und böse, richtig und falsch und ist daher frustriert. Das Ego muss zwangsläufig dogmatisch werden, weil es glaubt, der „Denkende“ zu sein und für seine Handlungen entsprechend seiner eigenen Überzeugungen Behauptungen darüber aufstellen muss, was richtig und was falsch sei. Daher ist das Ego frustriert. Daher sind „wir“ frustriert.

 

Das Ego möchte in den „Mutterleib der Non-Dualität zurück krabbeln“ ohne dabei zu erkennen, dass nichts außer Einheit existiert. Wenn Non-Dualität die „Kultivierung von Einheit“ wäre, gäbe es Zwei und nicht nur Eins: Dann gäbe es den Kultivierenden und das Kultivierte. Das, was glaubt, die Einheit kultivieren zu können, ist das Ego. Und so muss es sein, denn das Ego hält sich immer für den Handelnden, Sprechenden und Denkenden.

 

Das Ego wird von der Intelligenz des Lebens zu der falschen Annahme verleitet, dass es der Handelnde, Sprechende und Denkende sei. Dies ist die Wurzel des Gefühls von Getrennt-Sein: Die Behauptung des Ego, der Handelnde zu sein. Einheit kann nicht gedacht, ausgesprochen oder gemacht werden. Einheit offenbart sich selbst, wenn sich das Ego spontan und unkontrollierbar zum Beobachter höher entwickelt. Das Ego nimmt die Welt als real wahr und glaubt, sie könne geformt, verändert und kontrolliert werden; der Bobachter dagegen beobachtet das Leben als eine Illusion.

 

Dies ist Frieden und Frieden ist das Leben. Das erleuchtete Wesen ist „Frieden in Aktion“, so illusionär es auch sein mag. Das erleuchtete Wesen besitzt nichts, was verteidigt werden müsste, und kann daher mitfühlend auf das Leben antworten, so wie es ist, und nicht so, wie der Verstand glaubt, dass es sei. Doch dies ist keine Handlung, die von einem erleuchteten Wesen vollbracht wird; es ist die Art und Weise, wie sich das Leben selbst höher entwickelt in der Reflexion des erleuchteten Wesens.

 

Frieden kann niemals gemacht, ausgesprochen oder gedacht werden. Jeder Gedanke wäre innerhalb der Dualität von Frieden und Krieg. Realer Frieden ist alles, was ist. Das Gefühl, der Handelnde zu sein, verhindert das Verständnis, dass du Frieden bist, welcher das Leben ist. Dieses Verständnis ermöglicht Frieden, weil sich dann das Ego vollkommen der Kraft des Lebens hingegeben hat und sich der Mensch bewusst ist, dass er eins ist mit dem Leben und nicht aufgeteilt in einen „Denkenden“ einerseits und eine Welt, um die man sich kümmern muss, andererseits. Die Qualität der illusionären Handlung, die durch einen Weisen manifestiert wird, ist frei von egoistischen Reaktionen des konditionierten Verstandes. Das Leben beginnt auf das Leben zu antworten. Auf diese Weise kümmert sich das Leben um sich selbst. Der Weise ist nicht heiliger als die anderen, denn es ist das Leben, welches einen Weisen manifestiert, und nicht der Verstand. Jeder und alles ist immer genau so, wie es bestimmt ist zu sein, so illusionär es auch sein mag.

 

Der Mensch ist ein Gedanke, der durch Ton im Ozean des Seins manifestiert wird. „Wir“ sind eine Reflexion dieser kosmischen Tatsache! Das Leben kümmert sich um sich selbst, so wie es bestimmt ist, zu geschehen. Habe Vertrauen ins Leben und verstehe, wie diese Illusion aus Licht und Ton im menschlichen Verstand Gedanken eines Menschen manifestiert, der für Handlungen verantwortlich zu sein scheint, um sich um die Welt zu kümmern. Dies ist der Traum der Menschheit! Glaube nicht an einen „erleuchteten Denker“ - habe Vertrauen ins Leben, denn du bist das Leben.

 

© Copyright 2010 Marcus Stegmaier, M.A.

 

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