Marcus Stegmaier, M.A. Veröffentlicht auf www.nevernothere.com USA 20.07.2010
|
|
Spirituelle Überzeugungen
Es scheint in der spirituellen Szene ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass man das Verständnis eines als erleuchtet anerkannten Menschen nicht in Frage stellt. Hat derjenige doch eine „spirituelle Transformation“ durchlaufen, die ihn dazu befähigt, nun die „Realität“ so zu sehen, wie sie wirklich ist - so ist es auf seiner Website oder seinem Blog zu lesen.
Schöne Geschichten über ein spirituelles Erwachen werden präsentiert und schon bald werden Interviews gegeben und Bücher mit schönen Geschichten veröffentlicht. Der so genannte Erwachte wird als Lehrer oder Meister akzeptiert. Für den so genannten Erwachten ist dies die Legitimation zu lehren und sein Verständnis wird nicht in Frage gestellt, weil es eine spirituelle Überzeugung ist, dass die schönen Geschichten der Erwachten wahr sind. Es ist inakzeptabel, wenn jemand darauf hinweist, dass das Verständnis des als Lehrer Akzeptierten unvollständig ist.
Der spirituelle Sprachgebrauch über die wahre Natur des Menschen ist hoch entwickelt. Dieser spirituelle Sprachgebrauch verhindert Klarheit. Das ist die Intelligenz des Lebens, damit das Leben weiterhin als real erscheint und nicht als illusionär erkannt wird. Wenn man die offensichtlichen Widersprüche zwischen Gepredigtem und Praktiziertem anspricht oder diskutiert, wird der konditionierte Verstand zu einer Barriere für Klarheit. So nimmt man in spirituellen Kreisen beispielsweise im Allgemeinen an, dass der Mensch nicht der Handelnde ist, was allerdings selten klar erläutert wird. In spirituellen Kreisen muss man praktizieren, um zu erkennen, dass man kein Handelnder ist. Dies ist ein Widerspruch, denn wenn der Mensch nicht der Handelnde ist, wie könnte er dann etwas tun oder praktizieren, um zu erkennen, dass er nicht der Handelnde ist?
Es gibt zum Beispiel auch einige Websites, auf denen behauptet wird, dass Lehren in die Irre führen, und dennoch werden auf dieser Website Techniken angeboten, wie man „die Realität ohne die Überlagerung von Gedanken direkt sehen“ könne. Dies wird nicht als Technik bezeichnet, allerdings dennoch so präsentiert, als ob sich der Mensch aufgrund seines eigenen Willens dafür entscheiden könnte. Und damit wäre der Mensch ein Handelnder, aber das ist er nicht.
Dieser Widerspruch ist das Verständnis, welches den Lehrern geschehen ist, und daran ist nichts verkehrt, denn es wurde vom Leben und nicht vom Menschen manifestiert, sodass dem Verstand die illusionäre Welt weiterhin real erscheint. Es ist nicht ihr Fehler, doch es wäre für sie selbst sowie für die Menschheit von Vorteil, wenn sich ihr Verständnis zu Klarheit vertiefen würde, anstatt illusionäre Verwirrung zu bleiben, deren sie sich selbst bislang nicht bewusst sind.
Derjenige allerdings, dem das Leben die subtilen Missverständnisse von Lehrern offenbart hat, ist für die Mehrheit der Menschen nicht anziehend. Das Aufdecken von Widersprüchen wird als egoistische Verurteilung des Verständnisses der anderen interpretiert.
Der Mensch ist nicht daran interessiert, einem Menschen mit klarem Verständnis zuzuhören, weil der Verstand dazu konditioniert ist, seine Überzeugungen als real aufrecht zu erhalten. Weltliche Überzeugungen werden durch spirituelle ersetzt und es fällt dem Menschen schwer, zu verstehen, dass seine spirituellen Überzeugungen illusionär sind, weil der äußerst hoch entwickelte spirituelle Sprachgebrauch eine spirituelle Täuschung erzeugt.
Die Fähigkeit des Verstandes, sich etwas vorzustellen, ist unvorstellbar groß. Erleuchtung ist ein klares Verständnis, dass der Verstand und das Leben nicht synonym sind. Erleuchtung ist absolute Klarheit, dass JEDER Gedanke im Verstand illusionär und nicht real ist. Erleuchtung geschieht dem Menschen im Leben und er kann sie nicht selbst hervorbringen. Das Leben bringt den Menschen zu dem Verständnis, dass alle spirituellen, intellektuellen und alltäglichen Überzeugungen illusionär und nicht real sind.
© Copyright 2010 Marcus Stegmaier, M.A.
|
|